Der Segen von Wut
Wut, Rage, Zorn – das sind unglaubliche Energien, die unser Körper hervorbringen kann. Ausgelöst wird diese Art von Energie von unseren Gedanken, Mustern und Programmen. Die ebenfalls Energie sind.
Ich hatte letztens einen dermaßenen Ausbruch von Wut, den ich nicht stoppen konnte. Sicher hätte ich ihn stoppen können, jedoch wollte ich nicht. Es musste raus. Es ist von ganz tief unten hochgeschossen. Die Wut, der Zorn, war schon lange in mir. Ignoriert, runtergedrückt, verdrängt, geleugnet, ungeliebt. Aber das lässt sich diese Energie, keine Energie, auf lange Sicht gefallen. Das muss raus. Das muss ans Licht. Angesehen werden.
Da stand ich nun, völlig außer mir, und beobachtete mich gleichzeitig dabei, wie ich die Kontrolle verlor. Da könnte man sich schon fragen: Wer ist ich? Wer hat hier wen verloren und was drängte sich wo nach außen?
Kurz danach war ich fix und fertig. Wow, das hatte Kraft gekostet.
Und irgendwann, ich weiß gar nicht mehr genau, wann, kam dann die Scham. Also Energie in Form von Gedanken darüber, was die anderen jetzt von mir denken. Über mich. Ich habe mich für mein Verhalten verurteilt und das dann ganz schnell auf meine Umwelt projiziert. Vor meinem inneren Auge führte ich Dialoge mit meiner Nachbarschaft, die nun gehört hatten, wie ich ausgerastet bin. Und die mich natürlich für eine absolut unbeherrschte, kontroll-lose Frau hielten. Und ich argumentierte dagegen, war sauer auf die Menschen in meiner Nachbarschaft. Und schämte mich gleichzeitig. Was, wenn ich ihnen nun im Hausflur begegnen würde? Oh, wie peinlich. Das ist diese Frau, die echt laut brüllen kann. So was macht man doch nicht. Die hat sich nicht im Griff.
Und dann, ich weiß nicht mehr genau, wann, kam die Traurigkeit. Ich war innerlich so wund, so schwer, so – traurig. Das Leben, der Tag, alles um mich herum, erschien mir so sinnlos. Was hat das alles für einen Sinn, fragte ich mich, wenn ich doch sowieso nur traurig durchs Leben gehe?
Mach Ho’oponopono, sagte ich mir. Schau es dir an. Reinige es. Aber etwas in mir wollte das jetzt nicht reinigen. Nicht jetzt. Ja, auch das darf mal sein.
Die Wut hatte eine innere Panzertür weggesprengt. Offensichtlich war das nötig, damit die Scham und die Traurigkeit, die ich seit Ewigkeiten in das Verlies der Verleugnung gesperrt hatte, endlich heraus und ans Licht kommen konnten. Es war ja nicht so, dass ich sie nicht immer wieder leise habe klopfen hören. So eine gewisse Grundtraurigkeit begleitete mich sehr lange in meinem Leben. Mal mehr, mal weniger deutlich. Und auch die Stimme der Scham, die sich in Gedanken wie “Was denken die anderen?” äußerte, hatte durchaus immer wieder die dicken Mauern des Verlieses durchdrungen. Aber ich konnte immer sehr gut weghören. Und den Schlüssel zur Panzertür rührte ich natürlich nicht an, denn ich hatte viel zu viel Angst vor dem, was ich da zusammengekauert in meinem Verlies finden würde.
Gelegentliche Wutausbrüche stemmten sich gegen die Panzertür, doch sie waren nicht stark genug, um diese Tür tatsächlich zu sprengen. Bis zu diesem denkwürdigen Vormittag, als ein Mensch durch sein Verhalten die Dynamitstange zündete und mir in die Hand drückte. BÄÄÄMMM!!!
Was passiert, wenn man etwas wegsprengt? Zerstörung.
Da sind zunächst Trümmer. Es qualmt, raucht, stinkt und staubt. Womöglich brennt es an manchen Stellen. Die Panzertür ist aus den Angeln gerissen, sie liegt quer auf einem Haufen Steine, der den Eingang zum Verlies halb versperrt. Das macht keinen Spaß. Und dann die Scham und die Traurigkeit, die hinter diesem Steinhaufen sitzen. Du weißt, dass du sie da rauslassen musst, dass du sie ans Tageslicht führen willst. Also gilt es jetzt, die Steine wegzuräumen, die Panzertür zu entsorgen und den Zugang freizulegen.
Da kann man schon mal denken: “Wie soll ich das allein schaffen? Ich bin viel zu schwach, das kann ich nicht.”
Doch, du kannst. Mit Ho’oponopono.
Jeder einzelne Stein ist ein Gedanke, ein Muster, ein Programm, mit denen du in der Vergangenheit eigenhändig eine dicke Mauer um deine Schuldgefühle, deine Scham gebaut und schließlich mit der Panzertür verschlossen hast. Nimm jeden Stein in die Hand, übernimm Verantwortung und vergib. Dir selbst, den anderen Menschen, den Umständen, der Welt.
Und bevor du das tust, klettere über den Steinhaufen rein in das Verlies und nimm dein inneres Kind in den Arm. Halte es, bitte es um Vergebung und liebe es. Dann nimm es an der Hand und führe es hinaus in die Sonne. Und beginne, die Steine wegzuräumen. Einen nach dem anderen, wie sie gerade liegen.
Das ist Ho’oponopono. Reinigen und aufräumen, was in Unordnung geraten ist. Die Dinge wieder in Ordnung bringen.
Danke, ich liebe dich.